Finanzmarktbericht 2. Halbjahr 2024

Geopolitische Unsicherheiten, wirtschaftliche Herausforderungen und technologische Innovationen prägen das Jahr 2025. Wie entwickeln sich die Märkte nach dem Wahlsieg von Donald Trump? Wie überwindet Deutschland seine wirtschaftliche Stagnation? Findet die Europäische Union Antworten auf drängende Fragen wie Verteidigung, Migration und Klimaschutz? Und wie können Anlegerinnen und Anleger 2025 strategisch von Trends wie Gold, Aktien oder alternativen Währungen profitieren?

Markus Wiedemann, Chief Investment Officer der LLB-Gruppe, gibt Einblick in die wichtigsten Anlageperspektiven und erklärt, warum politische Veränderungen, Inflation und Innovationen wie Künstliche Intelligenz die Investmentwelt prägen werden.

Das wohl wichtigste Ereignis der zweiten Jahreshälfte waren die Wahlen in den USA. Mit dem Sieg von Donald Trump und einer republikanischen Mehrheit im Kongress ist der aus Sicht der Märkte ungünstigste Wahlausgang eingetreten. Muss man nun wegen drohender Handelskriege den Konjunkturausblick nach unten korrigieren?

Nicht unbedingt. Trump hat zwar vor der Wahl viel über Zölle gesprochen, aber vieles blieb unklar. Will er wirklich alle Importe mit Zöllen belegen? Wird es Ausnahmen geben? Wann werden die Zölle eingeführt? Wie hoch werden sie sein? Auf diese Fragen braucht man Antworten, wenn man die wirtschaftlichen Folgen seriös abschätzen will. Aber noch haben wir diese Antworten nicht. Entscheidend wird auch sein, wie die betroffenen Länder reagieren. Um die US-Wirtschaft muss man sich keine Sorgen machen. Natürlich würde sie durch Handelskriege belastet, aber das Wachstum ist nicht gefährdet. Zudem werden die Steuersenkungen der Republikaner der Wirtschaft einen leichten Impuls geben. Die Eurozone und die Schweiz sind dagegen stärker vom Handel abhängig als die USA und daher anfälliger. 

Könnte sich der Inflationsausblick wegen der Zölle verschlechtern?

Ja, aber auch hier kommt es auf die Details an. Wenn zum Beispiel nur China Gegenzölle einführt, sind die Folgen für die US-Inflation anders, als wenn alle Länder mitziehen. Das macht es so schwierig, verlässliche Aussagen zu treffen. Wir müssen abwarten, was die neue Regierung konkret tut. Für das nächste Jahr sind die Steuersenkungen relevant. Handelskriege dürften wirtschaftlich erst ab 2026 ein Thema sein.

Die Steuersenkungen werden die US-Staatsverschuldung, die sich ohnehin schon auf einem Aufwärtstrend befindet, weiter in die Höhe treiben. Wie lange werden sich die Anleger das noch ansehen?

Die USA sind in einer besonderen Position. Sie geben die Leitwährung aus und ihr Obligationenmarkt ist gross und liquide. Die Anleger können ihn nicht einfach ignorieren. Wohin sollen sie auch flüchten? Die kleineren und illiquideren europäischen Märkte sind keine Alternative. Es könnte also noch lange dauern, bis die Anleger rebellieren und die Regierung zu Konsolidierungsmassnahmen zwingen. Noch gibt es dazu keinen Anlass. Die Zinsen belasten den Staatshaushalt nicht übermässig. Die Schulden sind also tragbar.

Chart: Verlauf des realen BIP
Quelle: Daten Macrobond

Bleiben wir bei den Wahlen. Nach der Ankündigung, dass in Deutschland im Februar gewählt wird, herrscht Aufbruchstimmung. Ist sie berechtigt?

Ein Aufbruch ist in Deutschland dringend notwendig. Die Wirtschaft wächst kaum, die Industrie steckt in der Krise. Die Misere Deutschlands ist offensichtlich. Zu den Herausforderungen gehören eine ungünstige demografische Entwicklung, mangelnde Produktivität, die Konkurrenz aus China, zu viel Bürokratie, nachlassende Wettbewerbsfähigkeit und eine unzureichende Infrastruktur. Eine neue Regierung muss sich diesen Herausforderungen stellen. Das wird Geld kosten. Es wird eine Reform der Schuldenbremse brauchen. Aber ohne Massnahmen wird der stotternde Wirtschaftsmotor nicht wieder auf Touren kommen, denn die Wachstumsaussichten sind derzeit bescheiden.

Ein starkes Deutschland täte auch Europa gut. Die Europäische Union (EU) hat selbst eine Reihe von Problemen. Wirtschaftlich und technologisch hat sie den Anschluss an die USA verloren, hinzu kommen Verteidigung, Migration und Klimaschutz. Wie soll die EU angesichts von Fiskalregeln und hoher Verschuldung diese Probleme lösen?

Wie in Deutschland muss auch in der EU ein Umdenken stattfinden. Ein ausgeglichener Staatshaushalt ist wichtig, aber in Zeiten grosser Herausforderungen sollte der Fokus auf deren Bewältigung liegen. Die Aufnahme von Schulden wird unumgänglich sein. Da nicht alle Staaten dazu in der Lage sind, wird es wahrscheinlich auf eine Verschuldung der EU hinauslaufen. Das ist sehr umstritten. Aber wenn die Not gross genug ist - das hat die Pandemie gezeigt - ist vieles möglich. Dass die EU militärisch aufrüsten muss, liegt nach der Wahl Donald Trumps auf der Hand. Auch die Ankurbelung der Wirtschaft sollte angesichts der ungünstigen demografischen Entwicklung hohe Priorität haben. Im besten Fall erreicht die EU einen steileren Wachstumspfad, der dann in einigen Jahren den Schuldenabbau erleichtert.

"Solange keine Deflationsgefahr besteht, wird es auch keine Negativzinsen geben. Die Schweizer Zinsen bleiben tief, aber nicht negativ."

Mit der Wahl von Trump scheinen die Risiken für die Börse gestiegen zu sein. Kann das nächste Jahr trotzdem ein gutes Aktienjahr werden?

Die Voraussetzungen für ein gutes Aktienjahr sind grundsätzlich gegeben. Die Wirtschaft wird weiter wachsen und die Inflationsraten werden tendenziell sinken. Wenn die Unternehmen die Gewinnerwartungen erfüllen, ist es durchaus denkbar, dass die Börsen im Zuge des Gewinnwachstums zulegen. Angesichts der politischen Risiken und der hohen Bewertung des US-Marktes ist jedoch mit einem eher verhaltenen Aktienjahr zu rechnen. In den letzten Jahren haben uns die Märkte oft mit überdurchschnittlichen Erträgen verwöhnt. Damit ist nicht zu rechnen.

Chart: Inflationsraten
Quelle: Daten Macrobond

In der Schweiz liegt der Leitzins bereits bei 1 % und dürfte weiter sinken. Gibt es bald wieder Negativzinsen?

Als die SNB 2015 Negativzinsen einführte, hatte sie mit einer Deflation zu kämpfen. Die Inflationsraten fielen in den negativen Bereich und erreichten sogar Werte von fast minus 1.5 Prozent. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Heute liegt die Inflationsrate bei 0.6 %. Gemäss den Prognosen der SNB wird sie auch in den kommenden Jahren um diesen Wert schwanken. Eine Deflationsgefahr besteht derzeit nicht. Es bräuchte vermutlich einen Schock oder eine Krise, eine starke Aufwertung des Frankens, damit das Preisniveau in der Schweiz zu sinken beginnt. Solange keine Deflationsgefahr besteht, wird es auch keine Negativzinsen geben. Zumindest im nächsten Jahr werden die Schweizer Zinsen tief, aber nicht negativ sein. Da die Schweizer Zinskurve bereits stark gefallen ist, sind die Ertragsaussichten für Schweizer Obligationen bescheiden geworden. Viel mehr als der Coupon wird wohl auch in Zukunft nicht zu verdienen sein. Grösseres Potenzial besteht in anderen Währungen, vor allem bei US-Dollar-Anleihen.  Allerdings muss man dann das Währungsrisiko in Kauf nehmen.

"Die Renditeaussichten für Schweizer Obligationen sind bescheiden - mehr Potenzial bieten US-Dollar-Anleihen, allerdings mit Währungsrisiko."

Gold ist eine der besten Anlageklassen in diesem Jahr. Soll man noch in Gold investieren oder es lieber meiden?

Der rasante Anstieg des Goldpreises in diesem Jahr hat einige Anleger skeptisch gemacht. Obwohl es gute Gründe für den Anstieg des Goldpreises gibt, war vielleicht auch eine Prise Spekulation im Spiel. Die Korrektur nach den US-Wahlen bietet nun wieder einen besseren Einstiegszeitpunkt. Wir sind überzeugt, dass Gold in einem ausgewogenen Portfolio seinen Platz hat. Aufgrund der hohen Volatilität sollte Gold aber nur eine Beimischung in geringem Umfang sein. Das Umfeld für Gold ist nicht ungünstig. Die weltpolitische Unsicherheit, die Käufe der Zentralbanken, die sinkenden Zinsen, die steigende Verschuldung - all das spricht für einen höheren Goldpreis. Ich würde aber nicht davon ausgehen, dass der Goldpreis im nächsten Jahr um mehr als 20 Prozent steigen wird, wie in diesem Jahr.

"Die Welt ordnet sich neu, Blockbildungen entstehen – doch die Finanzmärkte bleiben unbeeindruckt, solange keine konkreten Ereignisse und Bedrohungen auftauchen."

Welche Themen werden die Anleger 2025 beschäftigen?

Geopolitische Entwicklungen werden auch im kommenden Jahr dominieren. Die Weltordnung verändert sich, man erkennt eine zunehmende Blockbildung.  Für die Finanzmärkte sind diese Entwicklungen unbedeutend. Sie brauchen konkrete Ereignisse und Bedrohungen. Für die internationale Zusammenarbeit und den Weltfrieden sind sie aber ungünstig. Ein zweites wichtiges Thema wird die Künstliche Intelligenz sein. Der Markt wird die Entwicklungen in diesem Bereich genau beobachten und laufend evaluieren, ob die hohen Erwartungen gerechtfertigt sind. Neue Innovationen haben das Potenzial, den US-Aktienmarkt zu beflügeln.

Portrait Markus Wiedemann
Markus Wiedemann, Chief Investment Officer. LLB-Gruppe.

Zur Person

Markus Wiedemann, Chief Investment Officer der LLBGruppe, hat an der Universität Innsbruck Volkswirtschaft studiert. Nach dem Studium war er vier Jahre lang als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Volkswirtschaftstheorie und -politik der Universität Innsbruck tätig, 1990 wechselte er zur Liechtensteinischen Landesbank, wo er seit 2002 Geschäftsführer der LLB Asset Management AG und Chief Investment Officer der LLB-Gruppe ist.