Urs Müller: «Sicherheit und Stabilität sowie der starke Schweizer Franken sind gefragte Werte»

Urs Müller gehört seit 27 Jahren zur Liechtensteinischen Landesbank. In seiner Laufbahn hat er viel erlebt – Doch die Vielzahl der aktuellen Krisen dieser Welt sind besonders herausfordernd. Der Tipp des erfahrenen Bankprofis: Ruhig bleiben und einen kühlen Kopf bewahren.

Herr Müller, vor rund sechs Monaten hat die LLB ihre Geschäftsstelle in Vaduz nach dem Umbau neu eröffnet. Haben sich ihre Kunden schon an die neu gestalteten Räumlichkeiten gewöhnt?

Die neue Geschäftsstelle wurde von Beginn an sehr geschätzt, und wir erhalten sehr viel positives Feedback. Die grosszügig und vielfältig präsentierten Räumlichkeiten für die Beratung und den individuellen Austausch treffen den Nerv der Zeit. Auch das völlig neu gestaltete Café 44 im LLB-Innenhof ist sehr beliebt und wird rege besucht. Die offene und modular konzipierte Kundenzone bietet zudem ideale Voraussetzungen für Kunden- und Kulturanlässe, wie die letzte «LLB Sommer im Hof»-Konzertreihe mit hunderten Besuchern eindrücklich bewiesen hat. Die Besucher mögen den lebendigen Austausch und spüren die Kundennähe der LLB und ihre regionale Verbundenheit.

Die LLB verfolgt ein hohes Ziel: nämlich die Nummer eins in Liechtenstein und der Region zu sein. Das ist allein schon ein recht ambitioniertes Ziel. Aber in welcher Disziplin wollen Sie konkret die «Nummer eins» sein?

Diese strategische Zielsetzung ist in der Tat sehr ambitioniert. Konkret bedeutet sie, dass wir bei den für uns relevanten Kundengruppen in Liechtenstein als die Nummer eins wahrgenommen werden möchten. Dies sowohl in Bezug auf die Produkt- als auch die Servicequalität. Hier wollen wir die Bank sein, an der kein Weg vorbeiführt, die sich durch Kompetenz auszeichnet, echten Nutzen stiftet und ein Höchstmass an Vertrauen geniesst. Im Firmenkundengeschäft sowie im Geschäft mit Privatkunden sind wir in Liechtenstein bereits heute führend. Darauf wollen wir aufbauen und unsere Ambition sukzessive weiter umsetzen.

In den vergangenen Jahren wurde viel über Globalisierung und Digitalisierung diskutiert. Ist Regionalität angesichts dessen nicht ein wenig verstaubt? Oder gewinnt Regionalität auch angesichts der aktuellen Krisen wieder mehr an Bedeutung?

Für mich ist klar Letzteres zutreffend. Die liechtensteinische Wirtschaft steht für Unternehmen, die etwas umsetzen, die Ideen haben, die etwas produzieren, die Menschen einstellen, ihnen Arbeit geben und die ihre Produkte regional und weltweit vertreiben. Hier in der Region beginnt es. Hier entstehen das wirtschaftliche Wachstum und der Wohlstand unseres Landes.

Die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen haben die Bedeutung von Regionalität nicht vermindert, sondern – im Gegenteil – markant verstärkt."

Aber lässt sich Regionalisierung tatsächlich auch digital anbieten? Ist es nicht ein Widerspruch, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, aber immer mehr auf Digitalisierung und Maschinen zu setzen?

Der digitale Wandel verändert bereits nachhaltig unsere Art zu leben. Ein grosser Teil unserer Kunden tritt bereits über digitale Kanäle mit uns in Kontakt und greift online auf Bankkonten und Portfolios zu. Über unsere Mobile App, über unsere Website oder, seit Kurzem, über unsere Investitions-App für nachhaltiges Anlegen für alle – «wiLLBe». Aber das Digitale schliesst das Menschliche nicht aus, beides ist wichtig und ergänzt sich.

Ein Beispiel dazu: Unsere lokale Präsenz vor Ort entspricht einem Kundenbedürfnis und bietet zahlreiche Chancen. Mit drei physischen Direktkontaktpunkten (Balzers, Vaduz, Eschen) und mit über zwanzig Bancomaten ist die LLB die weitaus kundennächste Bank in Liechtenstein – mit einem klaren Bekenntnis zu den Einwohnern, Unternehmen und öffentlichen Institutionen des Landes. Dafür steht die LLB: vom Land für das Land. Persönliche Beziehungen und Nähe sind uns sehr wichtig. Wir nehmen die Bedürfnisse aller Kundengruppen ernst und richten uns gezielt darauf aus. Deshalb haben wir bei den Investitionen in unsere Geschäftsstellen ganz besonders auf einen optimalen Mix zwischen persönlicher Beratung und unterstützendem digitalen Angebot geachtet. Dies, weil wir der festen Überzeugung sind, dass die Kombination der digitalen Welt mit persönlicher Beratung für unsere Kunden den grössten Mehrwert bietet.

Trotz aller Regionalität ist die LLB auch seit Langem auf dem deutschen Markt aktiv, das Geschäft wird stetig weiter ausgebaut. Der deutsche Markt war für Institute aus Liechtenstein lange sehr schwierig. Wie wird Liechtenstein und die LLB dort heute wahrgenommen?

Ich denke, dass viele den Wandel unseres Landes mitverfolgt haben. Der Finanzplatz Liechtenstein hat sich in den vergangenen Jahren enorm entwickelt und gehört inzwischen zu einem der transparentesten und besten Finanzplätze der Welt, dem auch wir uns als LLB verpflichtet fühlen. Wir spüren derzeit auch eine hohe Nachfrage aus dem deutschen Markt. Sicherheit und Stabilität sowie der starke Schweizer Franken sind gefragte Werte.

Der Begriff vom «perfekten Sturm» macht bereits die Runde: Krieg in der Ukraine, Energiekrise, Inflation und Rezession, Lieferkettenprobleme, und Corona ist auch noch nicht verschwunden. Welchen Einfluss hat diese Gemengelage auf ihre Kunden und letztlich auch auf das Geschäft der LLB?

Was aktuell passiert, ist schlimm und stimmt mich oft nachdenklich. Natürlich sorgt die aktuelle Weltlage generell für Unruhe und führt zu Fragen von unserem Kunden. Und genau da können wir eine unserer grössten Stärken ausspielen – 160 Jahre Erfahrung im Bankgeschäft. Die LLB hat viele Krisen miterlebt und die wichtigste Regel war und ist immer, ruhig zu bleiben und einen kühlen Kopf zu bewahren. Und das vermitteln wir auch unseren Kunden. Diese besonnene Haltung ist auch ein Teil des Erfolgs der LLB, die uns seit Jahren zu den sichersten und am besten kapitalisierten Universalbanken der Welt und mit einem Aa2-Depositen-Rating der Agentur Moody´s zur absoluten Top-Liga der Finanzinstitute in Liechtenstein und in der Schweiz zählen lässt. Das macht uns auch sehr krisensicher. Das spiegelt sich auch in den aktuellen Halbjahreszahlen wider. Trotz des anspruchsvollen Umfelds konnten wir auch im ersten Halbjahr 2022 mit 75.9 Millionen Franken ein erfreuliches Ergebnis erzielen. Das zeigt, dass wir das Vertrauen unserer Kunden geniessen und mit unserem Geschäftsmodell strategisch richtig ausgerichtet sind.

Wohl für jedes Unternehmen ist das Vertrauen der Kunden ein wichtiges – vielleicht sogar das höchste – Gut. Besonders in schwierigen Zeiten dürfte Vertrauen noch wichtiger sein. Welche Gedanken macht sich die LLB zu diesem wohl persönlichsten Anspruch?

Vertrauen ist die Grundlage jeder nachhaltigen Beziehung und basiert auf zwei Kernelementen: Kompetenz und Integrität. Bezogen auf die Finanzdienstleistungsbranche stellt die Kompetenz sicher, dass eine Bank über das notwendige fachliche Know-how verfügt. Integrität hingegen beschreibt in diesem Kontext die Anforderung, dass eine Bank darüber hinaus tut, was sie sagt, bzw. sagt, was sie tut, und zu ihrem Wort steht. Mit Blick auf die über 160-jährige Firmengeschichte darf man wohl hinter die Kompetenz der LLB einen Haken setzen. Zentral ist für mich die Feststellung, dass die LLB im Kern eine sehr wertebasierte und integre Bank ist. Wertebasiertes Handeln fördert das Vertrauen und trägt zum Zusammenhalt bei. Und der ist gerade auf lokaler Ebene von grosser Bedeutung. Die letzten zwei Jahre haben uns eindrücklich vor Augen geführt, wie wertvoll Zusammenhalt ist. Allein kommt niemand durch eine Krise. Und so stand die LLB an der Seite des liechtensteinischen Gewerbes, vieler Handwerker und Dienstleister, als es darum ging, die Coronakrise mit Krediten zu überbrücken.

Das Vertrauen in den Finanzplatz Liechtenstein ist ebenfalls ein kostbares Gut. Sie selbst sind nun seit 27 Jahren bei der LLB. Wie nehmen Sie die Entwicklung des Finanzplatzes wahr, insbesondere in der jüngeren Vergangenheit?

Das ist eine gute Frage, ich merke gerade wieder, wie schnell die Zeit vergeht. Vielleicht lassen Sie mich damit beginnen, was sich nicht verändert hat in den 27 Jahren. Da kommen mir die politische Stabilität, die Zoll- und Währungsunion mit der Schweiz und die kurzen Konsens- und Kooperationswege in Liechtenstein in den Sinn. Das sind alles grosse Stärken und Standortvorteile unseres kleinen Landes.

Bei den wichtigsten Veränderungen in den letzten drei Jahrzehnten kommt mir als Erstes der EWR-Beitritt 1995 in den Sinn. Das war auch das Jahr, in dem ich bei der LLB gestartet bin. Der Beitritt hat den Zugang zum EU-Markt ermöglicht, eine Option, die mit der Zeit immer mehr an Bedeutung gewonnen hat. Natürlich hat auch, beschleunigt durch die Digitalisierung, die Innovationskraft zugenommen. Zentral in diesem Zusammenhang ist auch der substanzielle Wandel Liechtensteins zu einem sauberen Finanzplatz. In Steuerfragen und bei der Bekämpfung von Geldwäscherei, Korruption und Terrorismusfinanzierung gilt eine Nulltoleranzpolitik.

Wesentlich verändert hat sich auch die Wahrnehmung der Nachhaltigkeit, was vor 30 Jahren ein untergeordnetes Thema war. Nachhaltigkeit ist heute auch ein wichtiger Pfeiler der aktuellen Strategie der LLB, ACT-26, was sich unter anderem in unserem klimaneutralen Bankbetrieb zeigt. Unsere Massnahmen können auch im aktuellen TCFD-Nachhaltigkeitsbericht nachgelesen werden, der Anfang Oktober veröffentlicht wurde. Die LLB-Gruppe schafft darin die grösstmögliche Transparenz über den Weg zur Netto-null-Klimaneutralität und ist damit die erste Bank in Liechtenstein, die ihren aktuellen Klimafussabdruck vollumfänglich ausweist.

Urs Müller
Urs Müller, Leiter Privat- und Firmenkunden, Liechtensteinische Landesbank AG.