«Das Land wurde schnell zu meiner Heimat»

Gabriel Brenna ist der neue Chef der Liechtensteinischen Landesbank AG (LLB). Nach dem überraschenden Wechsel des bisherigen CEO, Roland Matt, will der Walliser die Traditionsbank in die Zukunft führen. Welche Prioritäten er setzt und welche Ziele er sich trotz des schwierigen Marktumfeldes steckt, darüber spricht Brenna im Interview.

Interview mit Gabriel Brenna, Group CEO der LLB-Gruppe

Erschienen in Wirtschaft regional am 12. März 2021

Von Dorothea Alber

Herr Brenna, was könnten Sie über sich verraten, das nur wenige über Sie wissen?

Gabriel Brenna: Den Tag im Büro beginne ich in Ruhe mit einem Cappuccino, auch wenn mich viele für einen Espresso-Mann halten würden. (lacht) Ich bin in den Bergen aufgewachsen und ich fahre daher gerne Ski, ich treibe sehr viel Sport und bin ein leidenschaftlicher Wind- und Kitesurfer.

Woher kommen Sie ursprünglich?

Ich komme aus dem Wallis. Kulturell gibt es zwischen meiner Heimatgemeinde Visp, in der ich aufgewachsen bin, und Liechtenstein vor allem dank der Walsergemeinde Triesenberg eine grosse Nähe. In Visp liegt auch das grösste Industriegebiet des Wallis mit dem Pharmaunternehmen Lonza, das nun zusammen mit Moderna einen Coronaimpfstoff produziert. Da mein Vater als Chemiker tätig war, hat es unsere Familie ins Wallis verschlagen. Es war schön, in dieser heilen Welt aufzuwachsen, die wie Liechtenstein idyllisch in einem Föhntal liegt und viele Sonnenstunden hat.

Nach dem Studium der Elektrotechnik in Lausanne waren Sie zunächst in verschiedenen Funktionen in der Industrie tätig. Warum haben Sie sich dennoch für eine Karriere in der Finanzbranche entschieden?

Ich bin von Natur aus eine sehr breit interessierte Person, die gerne Neues lernt, dabei aber auch in die Tiefe geht. Nach einer ersten Karriere in einem hochspezialisierten Technologieumfeld bin ich über die Unternehmensberatung bei McKinsey & Company ins Banking gekommen. Dort wurde meine Leidenschaft für die Finanzmärkte und das sehr kundenorientierte und persönliche Private Banking entfacht. Nachdem ich bei McKinsey Partner wurde, wollte ich nicht mehr nur beraten, sondern auch selbst Verantwortung übernehmen, und so kam ich 2012 als Leiter der Division Private Banking zur LLB. Und ich habe es nie bereut.

Seit neun Jahren arbeiten Sie nun bei der LLB in Liechtenstein. Was verbindet Sie mit dem Land?

Ich bin 2012 nach Liechtenstein gezogen und wohne inzwischen mit meiner Familie in Triesen. Unsere beiden Kinder Ben und Lara gehen dort in den Kindergarten und in die Schule. Wir fühlen uns sehr wohl, das Land ist für mich schnell zur Heimat geworden, auch weil Liechtenstein sehr offen ist und ich sehr herzlich aufgenommen wurde.

Der Wechsel von Roland Matt kam für mich sehr überraschend.
Gabriel Brenna, Group CEO der LLB

Wie überraschend war es für Sie, dass der bisherige CEO Roland Matt die Bank vor einigen Wochen verlassen hat?

Es kam sehr überraschend für mich, weil wir den Wechsel nicht erwartet hatten. Mit etwas Abstand habe ich aber Verständnis dafür, dass Roland Matt nach über 18 Jahren bei der Landesbank – davon neun Jahre als CEO – eine neue Herausforderung annehmen wollte. Ich wünsche ihm alles Gute und viel Erfolg dabei.

Dass Sie seit neun Jahren in der LLB-Geschäftsleitung sind, erleichtert wahrscheinlich einiges – auch im Hinblick darauf, dass es keine Übergangsphase gab?

Ja, ich kenne die Bank sehr gut und kann gut abschätzen, was auf mich zukommt. Deshalb braucht es auch keine Übergangsphase. Insgesamt denke ich aber, dass es ein sehr guter Zeitpunkt für einen Wechsel ist, weil wir gerade vor der Erarbeitung einer neuen Strategie stehen. So können wir die Bank mit einem erfahrenen Management-Team, aber auch mit frischem Wind in die nächste Entwicklungsphase führen.

Was haben Sie sich auf die Fahne geschrieben, was Sie bei der LLB verändern möchten?

Eine interne CEO-Nachfolge ist zuerst einmal ein Zeichen für Stabilität und Kontinuität. Wir werden den eingeschlagenen Weg daher beibehalten und uns auf profitables, nachhaltiges Wachstum fokussieren. Gleichzeitig bietet der Wechsel auch die Chance, neue Ideen für die zukünftige Entwicklung der Bank einzubringen. Wir werden uns als Team darüber Gedanken machen, wie mögliche Veränderungen aussehen werden für die langfristige Ausrichtung der Bank.

Über die neue Strategie können Sie noch nicht viel sagen, da Sie diese erst erarbeiten müssen. Nachhaltigkeit wird aber weiterhin im Fokus stehen? Immerhin hat die LLB einen nachhaltigen Goldfonds aufgelegt und eine Studie zu nachhaltigem Investieren lanciert.

Ja, das Thema wird weiter im Fokus stehen. Die Geschwindigkeit der Veränderungen in der Finanzbranche hat massiv zugenommen und wenn ich an meine Anfänge in der Finanzindustrie zurückdenke, ist die Branche heute nicht mehr dieselbe. Dahinter stehen unter anderem die wichtigen Megatrends Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Wir haben unsere Produktpalette massiv umgebaut und bis Ende des ersten Quartals werden wir alle wesentlichen Anlageprodukte auf unseren neuen Nachhaltigkeitsansatz umgestellt haben. Wir setzen sehr stark darauf, weil wir glauben, dass wir ein glaubwürdiger Partner sind und es sinnvoll ist.

Ist der LLB-Kunde überhaupt bereit für nachhaltiges Investieren?

Beim Kundenverhalten gibt es zwei Seiten. Global lässt sich feststellen, dass nachhaltige Investments schneller wachsen als traditionelle. Vor allem auf der institutionellen Seite sind das Interesse und das Engagement, nachhaltig zu agieren, sehr hoch; dies nicht zuletzt auch aufgrund der zunehmenden Regulierung. Bei den Privatkunden ist es noch nicht der grosse Pool von Kunden, die ihr Vermögen nachhaltig anlegen wollen. Da das Thema in den vergangenen Jahren an öffentlicher Präsenz gewonnen hat, sind sie aber für das Thema sensibilisiert. Wir sind daher überzeugt, dass das Interesse in den kommenden Jahren auch auf Privatkunden- Seite zunehmen wird.

Wie schwierig ist es für die LLB zu bewerten, welches Produkt nachhaltig ist und welches nicht?

Das ist in der Tat nicht ganz einfach, weil internationale Standards erst am Entstehen sind. Letztes Jahr sind wir den von den Vereinten Nationen unterstützten «Principles for Responsible Investment» (UN PRI) beigetreten. Unser eigens entwickelter Investmentansatz im Bereich Nachhaltigkeit kombiniert negative Ausschluss- und positive Auswahlkriterien. Damit wird die wichtige Brücke zwischen der nachhaltigen und der fundamentalökonomischen Seite geschlagen. Wir bauen dabei sowohl auf unser eigenes Research als auch auf die Expertise von namhaften Agenturen wie MSCI ESG Research, einem der führenden Anbieter für Nachhaltigkeits-Research. Es ist aber so, dass derzeit nicht in allen Unternehmen eine vollumfängliche Transparenz herrscht, wo die Betriebe wirklich stehen.

Ist Nachhaltigkeit auch eine Frage der Perspektive, zum Beispiel in Bezug auf den Goldfonds der LLB? Einige würden sagen: Die Rohstoffgewinnung von Gold ist per se nicht nachhaltig.

Das ist eine relative Sicht. Der Fonds ist so nachhaltig, wie es für die Produktion von Gold – vom Schürfen über den Transport bis zum Verkauf – nur möglich ist. Wir erachten Gold als einen wichtigen Stabilisator in einem Portfolio. Wenn man Gold kaufen möchte, dann stellt der Fonds die nachhaltigste Art dar, um in diesen Rohstoff zu investieren. Eine andere Frage ist, ob man aus ökologischen Gründen Rohstoffe generell im Portfolio halten möchte. Auch die Frage, wie nachhaltig Unternehmen tatsächlich sind, ist berechtigt. Wie nachhaltig ist zum Beispiel Tesla? Die Rohstoffgewinnung zur Herstellung der Batterien ist es sicher nicht.

Wie schätzen Sie das aktuelle Marktumfeld ein?

Das Marktumfeld ist schwieriger geworden: Der Druck nimmt sowohl auf der Ertragsseite mit dem Negativzinsumfeld und einem umkämpften Markt als auch auf der Kostenseite mit der zunehmenden Regulierung und den hohen anfallenden Investitionen in die IT zu. Vor allem kleinere Institute kommen dadurch stärker unter Druck, was zu einer weiteren Konsolidierung in der Branche führen wird.

Wo sieht die LLB in einem solchen Umfeld noch Wachstumschancen?

Wir wachsen seit mehreren Jahren sehr erfreulich in allen drei Marktdivisionen – im In- und Ausland. Unsere Strategie ist zum einen sicher, in den bestehenden Geschäftsfeldern in der Breite zu wachsen, mit dem Ziel, durch mehr Grösse Skaleneffekte zu generieren; zum anderen durch Akquisitionen. In der ablaufenden Strategieperiode haben wir bereits zwei Zukäufe getätigt. Wir sind nach wie vor sehr gut kapitalisiert sowie weiterhin an Übernahmen interessiert.

Und wie wichtig sind Zukäufe, um die Wachstumsziele der Bank künftig überhaupt erreichen zu können?

Der primäre Fokus liegt weiterhin darauf, aus eigener Kraft in den bestehenden Divisionen und den bestehenden geografischen Märkten zu wachsen. Akquisitionen sind gewünscht, aber nur, wenn es kulturell passt und strategisch sinnvoll ist.

Wie schwierig war die Coronapandemie für die LLB und wie lautet Ihr Ausblick?

Die Coronapandemie war natürlich für alle Mitarbeitenden eine grosse Belastung und Herausforderung, privat wie beruflich, die wir aber sehr gut gemeistert haben. Die Stabilität und Sicherheit der Liechtensteinischen Landesbank als eine der sichersten Universalbanken Europas ist in Zeiten wie diesen mit hoher wirtschaftlicher und geopolitischer Verunsicherung ein grosser Mehrwert insbesondere für unsere Kunden im Ausland, weshalb wir diesbezüglich sogar profitiert haben. Dieser positive Trend hat sich auch in den ersten beiden Monaten dieses Jahres fortgesetzt, so dass wir insgesamt zuversichtlich sind und auch fürs 2021 ein solides Ergebnis erwarten.

Portrait Gabriel Brenna

Zur Person:

Vor seinem Engagement bei der LLB-Gruppe war Gabriel Brenna acht Jahre für das Beratungsunternehmen McKinsey & Company in Zürich und London tätig, zuletzt als Partner und Leiter der Schweizer Private Banking und Risk Management Practice. Brenna studierte an der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) sowie an der Carnegie Mellon University und Stanford University in den USA und promovierte 2004 an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich.