Finanzmarktbericht erstes Halbjahr 2025
Drastisch verschärfte US-Handelszölle haben für massive Bewegungen an den Finanzmärkten gesorgt. Während sich die Märkte zuletzt etwas beruhigten, blickt die Finanzwelt nun gespannt auf Washington – Kommt es erneut zur Eskalation oder gelingt die Entspannung?
Zollschock statt Wirtschaftswunder – US-Handelszölle erschüttern Finanzmärkte
Das erste Halbjahr 2025 war geprägt von unerwarteten politischen Wendungen und turbulenten Reaktionen an den Finanzmärkten. Der anfängliche Optimismus wich rasch einer Phase der Verunsicherung – ausgelöst durch die handelspolitischen Wirren der neuen US-Regierung. Unser Chefökonom Roger Wohlwend analysiert, warum der Optimismus verflog, wie die Märkte reagierten und welche Schlüsse sich daraus für Anlegerinnen und Anleger ziehen lassen.
Zwischen Hoffnung und Ernüchterung
Die USA haben im ersten Halbjahr grundlegende Veränderungen gebracht. Anfangs war die Stimmung noch optimistisch. Ab dem Spätsommer 2024 begannen die Börsen, auf einen Wahlsieg von Donald Trump zu setzen. Die Erwartung einer marktfreundlichen Regierung beflügelte die Aktienkurse.
Zwar sprach Trump im Wahlkampf häufig über Zölle, viele rechneten aber damit, dass er seine Pläne nur abgeschwächt umsetzen würde. Doch die neue US-Regierung machte ernst. Der starke Fokus auf Handelszölle führte bald zur Ernüchterung. Insbesondere die hohen Zölle, die Trump am 2. April vorstellte, erschreckten die Börsen. Die Massnahmen belasteten nicht nur die US-Wirtschaft, sondern wirkten weltweit. Statt einer soliden Weltwirtschaft bestand nun die Gefahr einer möglichen globalen Rezession. Die Aktienpreise fielen deutlich. Erst als die Regierung von ihrem harten Kurs abzurücken begann, stabilisierten sich die Märkte wieder.
"Die Börse setzte auf wirtschaftsfreundliche US-Politik – bekam aber Unsicherheit und Zölle."
Als sich der Handelsstreit zwischen den USA und China früher als erwartet entschärfte, atmeten die Aktienmärkte auf. Sie holten ihre Verluste auf, die sie seit dem 2. April erlitten hatten. Inzwischen rätseln die Anleger, ob die US-Regierung eine Kehrtwende vollzogen hat. Sie fragen sich, ob die US-Zölle auf dem aktuellen Niveau bleiben, das für viele Länder deutlich tiefer ist als Anfang April. Ging es damals ohnehin nur darum, Druck auf die Handelspartner auszuüben, um Zugeständnisse zu erzielen? Trotzdem bleibt Unsicherheit: Hat die US-Regierung tatsächlich umgedacht? Dass manche Zölle inzwischen auch die Justiz beschäftigen, macht die Sache nicht einfacher. Dass manche Zölle inzwischen auch die Justiz beschäftigen, macht die Sache nicht einfacher.
Die Aktienmärkte haben die Hoffnung, dass das Schlimmste im Handelsstreit vorbei ist, bereits teilweise eingepreist. Jetzt warten sie auf den Beweis, dass dies auch tatsächlich der Fall ist. Anfang Juli, wenn die temporäre Reduktion der Zölle abläuft, wird sich zeigen, ob die US-Regierung die Daumenschrauben erneut anzieht oder sich mit den bis dahin erzielten Verhandlungsergebnissen zufriedengibt.
Zölle mit Nebenwirkungen
Falls Trump die Zölle wieder erhöht, könnten rebellierende Finanzmärkte und unzufriedene Konsumenten sowie Unternehmen den Druck erhöhen. Die US-Inflation dürfte in den nächsten Monaten steigen – das Gegenteil von dem, was sich viele Wählerinnen und Wähler erhofft haben. Das könnte Trumps Rückhalt schwächen.
Auch Unternehmen leiden unter der grossen Unsicherheit und beklagen sich über die Zölle. Dabei will Trump ihnen mit den Zöllen eigentlich helfen. Er verfolgt das Ziel, Industrie zurück ins Land zu holen, die während der Globalisierung verloren gegangen ist. Damit möchte er nicht nur Arbeitsplätze schaffen, sondern auch die Versorgungssicherheit bei den Lieferketten im Inland erhöhen. Gleichzeitig würde die Abhängigkeit vom grossen Rivalen China verringert, die die USA insbesondere bei Konsumgütern haben. Eine Reindustrialisierung wäre aus ökonomischer Sicht zwar umstritten, unter dem Aspekt der nationalen Sicherheit jedoch durchaus sinnvoll.
"Die US-Regierung wollte Stärke zeigen, hat aber Vertrauen zerstört."
Ob Handelszölle für dieses Vorhaben das richtige Mittel sind, ist jedoch eine andere Frage – besonders dann, wenn sie so breitflächig und erratisch eingesetzt werden, wie es aktuell der Fall ist. Zudem gibt es weitere Hürden für die Reindustrialisierung, sodass unsicher ist, ob die Regierung ihr Ziel erreichen kann. Ihre aktuelle Handelspolitik könnte daher nur Verlierer hervorbringen. Die USA haben ihr robustes Wirtschaftswachstum und fallende Inflationsraten eingebüsst, Europa seine wirtschaftliche Erholung.

Europa setzt auf Eigenständigkeit und Investitionen
Immerhin hat die US-Regierung Europa wachgerüttelt, indem sie dem alten Kontinent klargemacht hat, dass er selbst für seine Sicherheit sorgen muss. Die EU wird künftig deutlich mehr in ihre Verteidigung investieren. Zwar führt dies unweigerlich zu einer steigenden Staatsverschuldung. Im besten Fall ergibt sich mittelfristig jedoch auch ein höheres Wirtschaftswachstum. Die zeitweise Lockerung der Fiskalregeln, um den Mitgliedsländern diesen Anstieg der Verschuldung zu ermöglichen, zeigt, wie ernst die Situation genommen wird – ein Kurswechsel, der noch vor Kurzem undenkbar war.
Deutschland geht noch einen Schritt weiter. Mit einem umfassenden Investitionspaket möchte die Regierung nicht nur die Verteidigung, sondern auch die Wirtschaft insgesamt erneuern. Klar ist aber auch: Ohne Strukturreformen bleibt es bei einem temporären Schub. Denn nur mit grundlegenden Reformen kann die Regierung die Wirtschaft dauerhaft stärken. Das deutsche Investitionspaket wird in diesem Jahr noch kaum Auswirkungen auf die Wirtschaft haben. Die ersten Effekte dürften ab 2026 sichtbar werden.
Märkte reagieren mit Misstrauen
Die US-Regierung hat sich nicht nur politisch isoliert, auch die Finanzmärkte zeigen sich zunehmend skeptisch. Ausländische Anlegerinnen und Anleger haben begonnen, die US-amerikanischen Anlageklassen zu hinterfragen. Besonders deutlich wird dies beim US-Dollar. Entgegen der Lehrbuchmeinung wertete er durch die Handelszölle nicht auf, sondern verlor an Boden. Das ist ein Zeichen dafür, dass Kapital aus den USA abgezogen wurde.
Die Aktienmärkte spiegeln diesen Trend ebenfalls wider. Unter anderem weil sich Anlegerinnen und Anleger vom US-Markt zurückgezogen haben, entwickeln sich europäische Titel im ersten Halbjahr besser.
Das Misstrauen zeigte sich auch am US-Obligationenmarkt. Lange galten die USA als vertrauenswürdiger Schuldner. Doch diese Überzeugung hat Risse bekommen. Nicht mehr alle Anlegerinnen und Anleger sehen US-Staatsanleihen als sichere Anlage. In der Folge flüchteten viele in stabilere Märkte, etwa in die Schweiz, wo deshalb die Zinskurve im April fiel und der Franken aufwertete.

Auf dem US-Obligationenmarkt stiegen die Langfristzinsen deutlich an und dürften ein Hauptgrund dafür gewesen sein, dass die Regierung ihre harte Zollpolitik abgeschwächt hat. Zwar hat sich die Lage inzwischen etwas beruhigt, doch das Signal bleibt – trotz zuletzt unauffälliger Langfristzinsen: Die Bereitschaft der Anlegerinnen und Anleger, das hohe US-Defizit zu finanzieren, ist nicht grenzenlos.
"Wenn die Märkte das Vertrauen entziehen, wird selbst Washington nervös. Die Bereitschaft der Märkte, das US-Defizit zu finanzieren, hat Grenzen – dies wurde 2025 sichtbar."
US-Märkte bleiben bedeutend – das Vertrauen jedoch angeschlagen
Wie sich der Kurs der US-Regierung weiterentwickeln wird, bleibt abzuwarten. Eines ist klar: Das Vertrauen ist erschüttert. Die USA haben zu viel Porzellan zerschlagen. Die Phase, in der sich der US-Aktienmarkt in der Regel besser als ausländische Aktienmärkte entwickelt, könnte vorbei sein. Der Sonderstatus der USA als Emittent der Weltreservewährung ist vorläufig aber nicht gefährdet.
In den letzten Wochen hat sich die Lage etwas aufgehellt. Sollte die US-Regierung den Weg der Deeskalation weitergehen, werden sowohl die USA als auch Europa eine Rezession vermeiden. In diesem Fall haben die Börsen – insbesondere in den USA – weiteres Potenzial. Der US-Dollar könnte sich leicht erholen, gestützt vom hohen Zinsniveau.
Trotz aller Turbulenzen ist also ein einigermassen gutes Börsenjahr 2025 möglich. Das grösste Risiko bleibt jedoch eine erneute Eskalation in Washington. Wer sein Portfolio breit aufstellt, ist gut beraten. Denn eines hat das erste Halbjahr klar bewiesen: Diversifikation ist und bleibt der beste Schutz.
Roger Wohlwend – Chefökonom der LLB-Gruppe
Roger Wohlwend studierte Elektrotechnik an der ETH Zürich. Nach dem Studium war er zwei Jahre lang in der Schweizer Industrie als Entwicklungsingenieur tätig, bevor er 2007 zur LLB ins Asset Management wechselte. Nach mehreren Jahren im Fondsmanagement übernahm er 2024 den Posten als Chefökonom.