US-Arbeitsmarkt schwächt sich ab

Der Arbeitsmarktbericht vom Juli hat die Frage aufgeworfen, ob sich die US-Wirtschaft möglicherweise in einer Rezession befindet. Die Antwort ist ein klares Nein.

In den letzten zwei Jahren hat das Federal Reserve zwei Ziele verfolgt: Erstens, die Inflationsrate auf das angestrebte Niveau von 2 Prozent zu senken, und zweitens, den überhitzen Arbeitsmarkt abzukühlen. Während das Inflationsziel noch nicht vollständig erreicht wurde, zeigt der Arbeitsmarkt inzwischen deutliche Anzeichen einer Abkühlung. Mehrere Indikatoren bestätigten, dass der Arbeitsmarkt heute besser im Gleichgewicht ist als in den letzten Jahren. Die einstige Überhitzung scheint überwunden – doch könnte die Abkühlung zu weit gegangen sein?

Finanzkommentar US-Arbeitsmarkt schwächt sich ab

Die Arbeitslosenrate stieg im Juli auf 4.3 Prozent, was zu Nervosität führte, da die sogenannte Sahm-Regel ausgelöst wurde. Diese Regel besagt, dass sich die US-Wirtschaft in einer Rezession befindet, wenn der Anstieg der Arbeitslosenrate bestimmte Kriterien erfüllt. In der Vergangenheit hat sie sich als zuverlässiger Indikator für Rezessionen erwiesen. Die Regel beruht auf folgender Überlegung: Wenn Unternehmen Personal abbauen, sinkt die Nachfrage nach ihren Produkten, weil Arbeitslose weniger konsumieren. Dies führt zu einem Teufelskreis, bei dem der sinkende Konsum zu weiteren Entlassungen führt und den Anstieg der Arbeitslosigkeit beschleunigt. Allerdings hat nicht nur der Personalabbau die Arbeitslosenrate in die Höhe getrieben. Ein erheblicher Teil des Anstiegs ist auf die Zunahme der erwerbstätigen Bevölkerung zurückzuführen, wobei die Immigration eine wesentliche Rolle spielt. Für die Sahm-Regel ist es unerheblich, aus welchem Grund die Arbeitslosigkeit steigt. Für das Wirtschaftswachstum ist es jedoch entscheidend. Ein Rückgang der Nachfrage nach Arbeitskräften ist weitaus gefährlicher als ein Anstieg des Arbeitskräfteangebots. Ein Blick auf die neu geschaffenen Arbeitsplätze ausserhalb des Agrarsektors (im englischen "nonfarm payrolls") scheint unserer These zu widersprechen. Die jüngst veröffentliche Revision des Bureau of Labor Statistics, die ein Minus von 818'000 geschaffenen Stellen ausweist, könnte leicht fehlinterpretiert werden. Allerdings haben wir seit Längerem auf die Diskrepanz zwischen diesem Indikator und anderen Arbeitsmarktindikatoren hingewiesen. Die ursprünglich gemeldeten neugeschaffenen Stellen waren systematisch höher, als die anderen Indikatoren vermuten liessen. Die vorgenommene Revision beseitigt diese Diskrepanz und zeigt, dass der Arbeitsmarkt nicht so überhitzt war wie ursprünglich angenommen. Auch die Erwerbsquote, das heisst der Anteil der Personen zwischen 15 und 65 Jahren, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder Arbeit suchen, ist gestiegen. Gleichzeitig wurden neue Arbeitsplätze geschaffen, die aber offenbar nicht ausreichen, um alle neu hinzugekommenen Arbeitssuchenden zu beschäftigen.

Die US-Wirtschaft befindet sich derzeit mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in einer Rezession. Der private Konsum und die Investitionen wachsen weiterhin solide, und auf dem Arbeitsmarkt wurden neue Stellen geschaffen. Dennoch ist Vorsicht geboten: Je länger die Geldpolitik restriktiv ist, desto grösser wird das Risiko einer Rezession. Es ist daher an der Zeit, dass die Zentralbank das Zinsniveau senkt. Dies dürfte im September geschehen. Ein Signal der Sahm-Regel, selbst wenn es sich als falsch erweisen sollte, könnte die Zentralbank zusätzlich veranlassen, die Geldpolitik zu lockern, bevor der oben beschriebene Teufelskreis tatsächlich einsetzt.

Portrait Mirko Mattasch
Mirko Mattasch, Head of Fixed Income Management, LLB Asset Management AG

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