Oerlikon ist zu tief bewertet

Die Schweizer Firma Oerlikon trägt mit ihrem Geschäftsbereich Oerlikon Balzers ein Stück Liechtenstein in die Welt hinaus. Die Aktie ist sehr attraktiv bewertet.

Die Firma Oerlikon mit Sitz in Pfäffikon SZ blickt auf eine über 100-jährige Geschichte zurück: Das Unternehmen wurde im Jahr 1906 in Oerlikon als Abspaltung der heutigen ABB gegründet. Der Konzern besteht aus zwei gleich grossen Divisionen: dem Textilmaschinengeschäft ("Polymer Processing Solutions") sowie dem Beschichtungsbereich ("Surface Solutions"), in dem die Marke Oerlikon Balzers angesiedelt ist. Der Standort in Balzers besteht seit fast 80 Jahren. Die angebotenen Beschichtungen erhöhen die Lebensdauer von Werkzeugen und Turbinen und reduzieren gleichzeitig das Gewicht von Metallteilen, unter anderem im Automobilbereich. Auf diese Weise trägt Oerlikon zu einer nachhaltigeren Wirtschaft bei. Es werden neue Geschäftsbereiche erschlossen: Im Luxusgütermarkt dürfte Oerlikons Dünnschichtverfahren vermehrt die umweltschädigende und teure Galvanik ersetzen. Oerlikon erwartet daher ein zweistelliges Wachstum im Luxusmarkt, der nach einigen Akquisitionen 7 Prozent zum Gesamtumsatz beisteuert.

Andere Anwendungen wie Halbleiterproduktion, Wasserstoff, Feststoffbatterien oder Operationsinstrumente werden durch Beschichtungen verbessert. Oerlikon bietet Beschichtung als Dienstleistung an und verkauft gleichzeitig Beschichtungsmaschinen. Die geografische Präsenz ist in Europa stärker als in den USA, wo noch einige Lücken im Westen des Landes bestehen. Oerlikon arbeitet daran, in Nordamerika und Asien Wachstumsfelder zu erschliessen. Das Geschäft hat mittelfristig Aussichten, die operativen Margen von den derzeitigen 18 Prozent auf rund 20 bis 22 Prozent zu steigern.

Im Textilmaschinenbereich bietet Oerlikon Maschinen für die Polyesterproduktion sowie für Industrietextilien und Plastikteile an. 60 Prozent des Umsatzes in dieser Division werden in China erzielt. In den nächsten Quartalen wird sich der chinesische Polyestermarkt in einem Abschwung befinden, nachdem Oerlikons Kunden während der Pandemie ihre Kapazitäten sehr stark ausgebaut haben. Obwohl die Auftragsbücher von Oerlikon noch voll sind, hat das Unternehmen bereits reagiert und entsprechend Kapazitäten abgebaut.

Oerlikon ist in beiden Divisionen Marktführer. Im Textilmaschinenbereich besteht ein Duopol mit der japanischen TMT Machinery, weshalb eine gewisse Preismacht und hohe Eintrittsbarrieren vorhanden sind. In der Oberflächentechnologie gibt es mehr Mitbewerber, wobei Linde der namhafteste Konkurrent sein dürfte. Das benötigte Know-how, die hohe Kapitalintensität und das globale Netz an Servicezentren sind bedeutende Eintrittsbarrieren im Bereich Oberflächentechnologie.

Die Aktie handelt auf einem 13-Jahrestief, und die Bewertung ist auf dem tiefsten Stand seit 11 Jahren. Im Vergleich zu ähnlichen Unternehmen besteht mittlerweile ein Abschlag von rund 50 Prozent, nachdem Oerlikon von 2016 bis 2021 mit einem Aufschlag gehandelt wurde. Die Dividendenrendite liegt bei knapp 8 Prozent, und das Kurs-Gewinn-Verhältnis beträgt 9 Mal. Der Markt scheint sehr besorgt über den Abschwung in China zu sein. Wir halten dies für übertrieben, weil der Polyesterteil nur 31 Prozent des Umsatzes ausmacht und die Investitionen der chinesischen Produzenten in den Jahren 2023 und 2024 voraussichtlich immer noch über dem Niveau von 2019/2020 liegen werden. Darüber hinaus schreckt der Umstand, dass der sanktionierte russische Oligarch Viktor Vekselberg 19 Prozent der Aktien besitzt, wahrscheinlich viele Anleger ab. Oerlikon selbst ist von Sanktionen oder Imageverlust nicht betroffen. Unseres Erachtens dürfte dies auch so bleiben. Die tiefe Bewertung bietet daher vielmehr eine attraktive Einstiegsgelegenheit für langfristig orientierte Anleger.

Portrait Thomas Kühne
Thomas Kühne, Fondsmanager Aktien Schweiz, LLB Asset Management AG

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