Rohstoffe als Inflationsschutz

Welche Vermögensklassen bieten den besten Schutz gegen Inflation? Viele Anleger würden vermutlich auf Rohstoffe und Gold tippen. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass das richtig ist – es gibt aber gewisse Dinge zu beachten.

Betrachtet man derzeit die Performance der verschiedenen Vermögensklassen, fallen Rohstoffe sofort auf. Während Aktien und Obligationen mit Verlusten schmerzen, sind die Erträge im Rohstoffbereich beispiellos hoch. Der Krieg in der Ukraine spielt mit Sicherheit eine grosse Rolle, aber auch die Inflation hat einen Einfluss, gelten doch Rohstoffe als Schutz gegen die Teuerung. Doch ist dieser Ruf gerechtfertigt?

Was die Vergangenheit sagt

Werfen wir dazu einen Blick auf die Performance in vergangenen Inflationsphasen. Mit einer Inflationsphase ist ein Zeitraum gemeint, in dem die Inflationsrate tendenziell nach oben geklettert ist. Ausschlaggebend ist dabei die US-amerikanische Inflation. Zum einen ist sie für die globalen Rohstoffmärkte relevanter als die Schweizer Teuerung, zum anderen korrelieren die Inflationsraten beider Länder recht stark miteinander. In der Schweiz entsteht eine Inflation selten im Inland; in der Regel wird sie aus dem Ausland importiert. Damit ergeben sich von 1970 bis heute sechs Inflationsphasen. Die fünfte Phase endete im Juni 2008, seit Mai 2020 befinden wir uns in der sechsten Phase − davor gab es mehr als ein Jahrzehnt lang keine.

Rohstoffe haben in der Währung US-Dollar in allen sechs Phasen zuverlässig einen hohen Ertrag geliefert, der annualisiert in der Regel im zweistelligen Bereich lag. Seit Mai 2022 beträgt er zum Beispiel 60 Prozent pro Jahr. Gold hat in der Währung US-Dollar in fünf Phasen ebenfalls gut funktioniert, vor allem in den 1970er-Jahren. In der Phase Ende der 1980er-Jahre hat Gold den Investor jedoch im Stich gelassen. Der Franken wertet in Inflationsphasen gewöhnlich auf. Das hilft der Schweiz zwar als Schutz gegen die ausländische Inflation, mindert aber den Ertrag für einen Schweizer-Franken-Investor. In einer Phase Ende der 1970er-Jahre löschte die Aufwertung sogar den gesamten Rohstoffertrag aus. Eine grosse Ausnahme stellt die aktuelle Phase dar, in der die Aufwertung erstmals nicht auftrat und der Franken stabil blieb.

Das grosse Aber

Rohstoffe und in leicht geringerem Masse auch Gold erfüllen also tatsächlich die Erwartung als Inflationsschutz. Sobald aber die Inflationsphasen in der Vergangenheit aufhörten, als also die Inflationsraten wieder zu fallen begannen, fielen in den darauffolgenden 24 Monaten oft auch die Rohstoffpreise. Es scheint also notwendig, an einem gewissen Punkt das Rohstoff-Engagement zurückzufahren. Das scheint insbesondere dann ratsam, wenn die Zentralbanken den Fuss aufs Bremspedal legen. Für einen Franken-Investor kommt erschwerend hinzu, dass die Entwicklung des US-Dollars zum Franken in den 24 Monaten nach einer Inflationsphase mal positiv, mal negativ war. Auch bei Gold musste man bis in die 1990er-Jahre den richtigen Zeitpunkt zum Absprung finden. Dann änderte sich jedoch das Muster, und nach dem Ende beider Inflationsphasen in den 2000er-Jahren stiegen die Preise weiter an.

Bevor man sich nun Rohstoffe und Gold ins Portfolio holt, gilt es, zwei Punkte zu bedenken. Die Volatilität beider Vermögensklassen ist sehr hoch, oft höher als diejenige von Aktien. Aus diesem Grund sollte das Gewicht nicht zu gross sein und unbedingt der Risikobereitschaft des Anlegers entsprechen. Der zweite Punkt ist, dass es mittlerweile für einen Einstieg in Rohstoffe zu spät sein dürfte. Die Zentralbanken haben bereits mit Zinserhöhungen begonnen und es dürften noch viele weitere folgen. Insofern scheint der Zeitpunkt eher für eine Reduktion der Rohstoffquote richtig, vor allem, da der Höhepunkt der Inflationsraten nahe sein dürfte.

Portrait Roger Wohlwend
Roger Wohlwend, Senior Portfoliomanager, LLB Asset Management AG, Vaduz.

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