Tiefe Zinsen gut für Staaten

Die Staatshaushalte der Eurozone profitieren vom überdurchschnittlichen Wachstum und den tiefen Zinsen. Allerdings scheint nur Deutschland die Gunst der Stunde für einen Budgetüberschuss und einen Abbau der Staatsschulden nutzen zu können.

Deutschlands Fiskalsituation ist derzeit bemerkenswert. Seit 2014 konnte die Regierung einen Budgetüberschuss erzielen, was einen signifikanten Abbau der Staatsschulden erlaubte. Sie profitiert von der guten Konjunktur, die für mehr Einnahmen sorgt, und den tiefen Zinsen, die den Schuldendienst verkleinern. Der Einfluss der Zinsentwicklung der letzten Jahre ist ausgeprägt. Der durchschnittliche Zins hat sich für Deutschland zwischen 2008 und 2016 mehr als halbiert. Die Einsparungen bei den Zinszahlungen schätzt man für diesen Zeitraum auf einen Betrag von circa EUR 260 Mia., was ungefähr 8 Prozent der letztjährigen Wirtschaftsleistung entspricht. Anderen Ländern erging es natürlich ähnlich. Frankreich, Italien und die Eurozone als Ganzes profitierten sogar mehr als Deutschland von den fallenden Zinsen. Trotzdem kämpfen diese Länder und andere wichtige Volkswirtschaften wie die USA und Japan mit Budgetdefiziten und hohen Staatsschulden, die sie bestenfalls stabilisieren, aber nicht nennenswert verringern können. Es sind also nur die Deutschen in der Lage, die günstigen Rahmenbedingungen für einen Budgetüberschuss und einen Abbau der Staatsschulden zu nutzen. Wie lange sie ihren Staatshaushalt in derart guter Verfassung halten können, bleibt fraglich. Je nach Wahlausgang könnte eine Regierung an die Macht gelangen, die nicht vor höheren Ausgaben zurückschreckt. Mittelfristig werden die steigenden Zinsen, langfristig die Mehrkosten einer ständig älter werdenden Gesellschaft das Budget belasten.

Portrait Roger Wohlwend
Roger Wohlwend, Senior Portfoliomanager, LLB Asset Management AG, Vaduz

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