Obligationenwelt bietet noch Chancen

Obligationen, Anleihen, Bonds – festverzinsliche Wertpapiere sind zurzeit ohne klaren Trend unterwegs. Das wirtschaftlich gute Umfeld begünstigt Unternehmens- und Hochzinsanleihen, die 2018 weiterhin besser als Staatsanleihen laufen dürften.

Das Muster war vor dem Hintergrund des robusten weltweiten Wachstums zu erwarten: Unternehmensanleihen, Hochzinsanleihen, Anleihen aus Schwellenländern brachten 2017 noch ansehnliche Renditen. Die extrem lockere Geldpolitik der Zentralbanken drückte die Renditen von Staatsanleihen jedoch auf Rekordtief.

Auffällig flache Zinsstrukturkurven in den USA

Dazu ein wenig Theorie: Die Höhe der Rendite von Obligationen ist nicht nur von der Entwicklung der Kapitalmarktzinsen abhängig, sondern auch von der Bonität der Emittenten, dem Angebot oder der Restlaufzeit der Anleihe. In der Regel bringen Anleihen mit längeren Laufzeiten höhere Renditen. Nicht selten ist in sehr guten Konjunkturphasen jedoch auch der umgekehrte Verlauf zu beobachten. Dann bringen längerfristige Anleihen niedrigere Renditen als kurzfristige. Die sogenannten Zinsstrukturkurven der einzelnen Anleihetypen spiegeln die Verläufe wider.

Was auffällt, sind die abgeflachten Zinsstrukturkurven in den USA und Grossbritannien. Letztere liesse sich damit erklären, dass sich das Wachstum in Grossbritannien verlangsamt hat. In den USA aber hat sich die wirtschaftliche Entwicklung wieder beschleunigt. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht für 2018 von einem Wachstum von 2.3 Prozent aus. Die Anleger haben begonnen, eine Umsetzung der vom US-Präsidenten angekündigten Agenda für unwahrscheinlicher zu halten.

Schwacher Preisauftrieb und straffere Geldpolitik

Die schwächelnden Langfristzinsen dürften zu einem guten Teil aber auch darauf zurückzuführen sein, dass die Kerninflationsraten zurückgehen. Die Kerninflation wird ohne Güter berechnet, die häufigeren Preisschwankungen unterliegen, um den realen Anstieg des Preisniveaus genauer bestimmen zu können. Noch ist unklar, welche Faktoren den schwachen Preisauftrieb auslösen. Die Entscheider sind sich hier nicht einig, wie im Protokoll des Offenmarktausschusses der amerikanischen Zentralbank Federal Reserve (Fed) vom September 2017 nachzulesen ist.

Vieles spricht dafür, dass die Fed ihr riesiges Investitionsprogramm zur Stützung der Märkte weiter vorsichtig zurückfahren wird. Durch ihre historisch beispiellosen Konjunkturspritzen hatte die Fed in den neun Jahren seit der Finanzkrise eine Rekord-Bilanz aufgebaut. Der Verkauf dieser Staatsanleihen und Hypothekentitel soll zaghaft erfolgen, um Unruhen an den Märkten zu vermeiden. Am 13. Dezember ist eine weitere Erhöhung des Leitzinses wahrscheinlich.

Und auch die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte sich allmählich von ihrer ultralockeren Geldpolitik verabschieden. Sie hat angekündigt, das Volumen ihrer Staatsanleihekäufe ab Januar 2018 zu halbieren. Die EZB würde dann in naher Zukunft weniger Bonds kaufen, und die Renditen würden wieder steigen, weil die Nachfrage nach den Papieren sinkt. Die EZB strebt eine Inflation von knapp zwei Prozent als Idealwert für die Wirtschaft an. Davon war sie mit einer Rate von 1.4 Prozent im Oktober 2017 aber noch weit entfernt. Zurzeit rechnen Experten daher erst 2019 mit einer Anhebung der Leitzinsen.

Kürzerer Anlagehorizont scheint angebracht

Das alles nährt Spekulationen auf eine Wende am Anleihemarkt. Doch stehen Anleiheinvestoren vor einer Menge Herausforderungen. Relativ wenig wahrscheinlich erscheint, dass die langfristigen Zinsen bald einen klaren schnellen Aufwärtskurs verfolgen werden. Vielmehr dürften Renditeanstiege und Renditerückgänge einander ablösen. Noch ist das Leben für Anleiheinvestoren nicht mehr so leicht wie einst, aber die Anleihewelt bietet immer noch Chancen. Zwar scheint eine tiefere Duration, sprich ein kürzerer Anlagehorizont, angebracht. Inflationsgeschütze Anleihen aber bieten zurzeit Einstiegschancen. Und Unternehmens- und Hochzinsanleihen dürften auch 2018 eine bessere Performance erzielen als vergleichbare Staatsanleihen. Für Emerging Market Bonds jedoch bleibt die Handelspolitik der USA ein Risiko.

Obligationenmärkte
Zinsspread
Portrait Stefan Bieberschulte
Stefan Bieberschulte, Private Banking Liechtenstein, Liechtensteinische Landesbank AG

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