EU-US-Abkommen: Ein Deal mit vielen Fragezeichen
Ende Juli haben sich die EU und die USA auf ein Handelsabkommen verständigt. Eine Eskalation konnte damit verhindert werden. Trotzdem ist keine echte Entspannung in Sicht, denn viele zentrale Fragen sind nach wie vor offen.
Nach der Einigung auf höchster politischer Ebene dauerte es fast einen Monat, bis eine gemeinsame Stellungnahme folgte. Brisante Themen blieben dabei ausgespart. Deshalb ist klar: Die Verhandlungen gehen weiter. Auch die Frage, wie die Zusagen eingehalten werden sollen, die gar nicht in der Kompetenz der EU-Kommission liegen, bleibt offen. Zusätzlich bestehen Unterschiede beim Zeithorizont für die geplanten Käufe und Investitionen. Das birgt Potenzial für neue Spannungen, während die Bereinigung der offenen Streitpunkte und Detailfragen voraussichtlich Monate in Anspruch nehmen wird.
Europäische Pharmaprodukte im Fokus der USA
Europäische Arzneimittel sollen künftig mit einem Zoll von 15 Prozent belegt werden. Generika sind davon laut aktueller Aussagen ausgenommen. Doch eine laufende Untersuchung in den USA könnte jedoch alles verändern. Sollte sie ergeben, dass Pharmaimporte ein Risiko für die nationale Sicherheit darstellen, könnte Washington die Zölle auf breiter Front erhöhen. Das wäre ein harter Schlag für Europa – denn Pharmaprodukte zählen zu den wichtigsten Exportgütern in die USA.
Digitalregulierung bleibt ein Reizthema
Die EU plant eine stärkere Kontrolle und Besteuerung digitaler Dienstleistungen. In der jüngsten Erklärung wird dieses Thema jedoch nicht erwähnt. Vom Tisch ist es aber nicht. Im Gegenteil: Donald Trump lehnt die europäische Regulierung der Tech-Konzerne ab. In der Vergangenheit hat er Zölle als Druckmittel genutzt. Bis jetzt blieb die EU bei diesem Thema verschont. Doch wie lange noch?
Was steckt hinter den "strategischen Käufen"?
Ein zentrales Element des Abkommens ist, wie der EU-Kommissar für Handel berichtet, strategische Produkte im Wert von 750 Milliarden USD zu erwerben – verteilt über drei Jahre.
Laut Kommissionspräsidentin von der Leyen geht es um Flüssiggas, Öl, Kernbrennstoffe und Computerchips. Gemäss einer Rechnung der Deutschen Bank sind die 750 Milliarden jedoch ein ambitioniertes Ziel. Denn nicht die EU kauft diese Güter ein, sondern private Unternehmen. Und diese importieren bereits grosse Mengen an Energie aus den USA. Selbst bei einem vollständigen Ersatz russischer Lieferungen durch US-amerikanische Import dürfte die Zielmarke kaum zu erreichen sein. Nur wenn europäische Unternehmen auch grosse Mengen an Computerchips aus den USA einkaufen, ist das Abkommen einzuhalten.
Investitionen: Versprechen ohne Garantie
Ein weiteres Versprechen: Die EU will bis 2029 Investitionen in Höhe von 600 Milliarden USD in den USA tätigen. Diese Summe stammt jedoch aus bereits bekannten Plänen privater Firmen. Die EU-Kommission hat keinen Einfluss auf deren Umsetzung. Solange Trump keine konkreten Resultate fordert, bleibt das Risiko gering. Doch das kann sich rasch ändern.
Mehr Schein als Sein
Das Abkommen zwischen der EU und den USA hat einen Handelskrieg abgewendet – vorerst. Doch viele offene Fragen und ein Präsident, der internationale Regeln nach Belieben auslegt, lassen Zweifel aufkommen. Können wir dem Deal trauen? Wohl kaum. Zu gross ist das Risiko, dass die aktuelle Ruhe nur die sprichwörtliche "Ruhe vor dem Sturm" ist.

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