"Ich sehe kaum Zombieunternehmen"

Die LLB half Unternehmern mit Hilfskrediten flüssig zu bleiben. Im grossen Ganzen geht es den Firmen den Umständen entsprechend gut, sagt Fredi Pfammatter.

Im Gespräch mit Manfred Pfammatter, Leiter Firmenkunden & Hypotheken der LLB

Erstmals erschienen im "Jahresmagazin 2020" von "Wirtschaft regional" vom 8. Januar 2021

Von Dorothea Alber, "Wirtschaft regional"

Nichts ist normaler als Angst. Jeder kennt dieses Gefühl, das als Alarmsystem evolutionsbiologisch sinnvoll, doch erdrückend ist, wenn es überhandnimmt. Im Frühjahr als die "alte" Welt im ersten Lockdown zum ersten Mal aus den Fugen geriet, waren die Unkenrufe gross, die Wirtschaft werde zerstört, eine Welle von Kündigungen und Firmenpleiten drohe. Bisher ist nichts davon eingetreten. Selbst die meisten betroffenen Betriebe, die Geld brauchten, schienen nicht von der Angst getrieben zu sein. "Die Unsicherheit hielt sich in Grenzen, weil die Anträge einfach waren und die Hilfen schnell", sagt Fredi Pfammatter. Als Firmenkundenleiter der LLB stellte er mit seinem Team das Kreditprogramm für die Überbrückungshilfen des Landes in wenigen Tagen auf die Beine – eine extrem stressige Zeit, wie er selbst sagt. "Und natürlich: Es gab auch sehr emotionale Momente, in denen Unternehmer verzweifelt waren". Es sei aber wichtig, zwischen den gesunden Firmen und jenen zu unterscheiden, die vorher schon Probleme hatten. "Es war nicht das Ziel der Kredite, diese zu sanieren oder künstlich am Leben zu erhalten", sagt er.  

In ganz Europa steigt die Angst, dass Zombies mitten unter uns sind. Sie wirken lebendig, sind aber längst tot und werden nur durch die staatliche Gnadenfrist am Leben gehalten. Als Zombies werden Betriebe bezeichnet, deren Erträge geringer sind als die Zinsen der Kredite, die sie tilgen müssen – falls sie überhaupt Erträge haben. "In Liechtenstein sehe ich derzeit kaum solche Unternehmen", sagt Pfammatter. Entscheidend sei, wie lange die Krise noch geht. Einen Domino-Effekt bei einer Pleitewelle in EU-Ländern kann er zwar für Liechtenstein als exportorientiertes Land nicht ausschliessen, doch der Banker zeichnet zumindest für den Moment ein Bild, das zuversichtlich stimmt. Bislang konnten die staatlichen Hilfsmassnahmen in Liechtenstein Schlimmeres verhindern, die Arbeitslosenzahlen sind kein Grund zum Trübsal blasen und die Anmeldungen für Kurzarbeit sind deutlich zurückgegangen. Das Hilfspaket als Ganzes und die 23 Millionen an Hilfskrediten – durchschnittlich 90 000 Franken pro Betrieb – halfen den Firmen, den ersten Schock im Frühjahr gut zu überstehen.

Aber Moment, da war doch noch etwas: Was ist mit Kreditausfällen? "Das hängt natürlich ganz davon ab, wie es mit der Pandemie und den Massnahmen weitergeht. Momentan ist es nicht mehr unbedingt eine Frage der Liquidität, weil man dies durch die staatlichen Massnahmen und die Kredite abfangen konnte". Es sei aber eine Thematik der fehlenden Nachfrage in den kommenden Monaten, die entsprechend die Liquidität in den Fokus rücken wird. "Es ist unbestritten, dass es Ausfälle geben wird, wenn die staatlichen Massnahmen nicht mehr greifen. Wir tracken das sehr genau", sagt Pfammatter. Doch wieder gibt es positive Aspekte, die der Angst vor der grossen Pleitewelle etwas entgegensetzen. "Es gab wenig Anträge von Firmen, die kurz vor dem Aus stehen", sagt er. Die Bank hilft den Betrieben dabei, Wege zu finden, um liquide zu bleiben. Ein Beispiel ist die Möglichkeit, Amortisationen aufzuschieben, damit momentan kein Druck entsteht. "Wir haben nichts davon, wenn wir Firmen in den Konkurs treiben", sagt Pfammatter. Und es gibt ein weiteres positives Signal: "Wir hatten selten so viel Geschäftskonto-Eröffnungen für junge Firmen wie in den letzten Monaten. Das zeigt für mich, dass Menschen optimistisch in die Zukunft blicken". Der Strukturwandel, der sich beschleunigt hat, habe wieder viele Chancen eröffnet und neue Geschäftsideen aufkeimen lassen. Gerade junge Firmen wagen den Sprung ins kalte Wasser und lassen sich von der Coronapandemie nicht abhalten. Jenseits aller Hiobsbotschaften zeigt sich: Der Grossteil der Unternehmen in stark von Anti-Corona-Massnahmen betroffenen Branchen hat die Krise bisher überraschend gut gemeistert – allen Umsatzeinbrüchen und anderen Schwierigkeiten zum Trotz.

Sorgen macht sich Pfammatter trotzdem: "Mich beschäftigt es sehr, dass gesunde Firmen kaputt gehen könnten. Das ist sehr belastend." Je länger die Krise andauert, desto mehr geraten auch solide aufgestellte Betriebe in Schwierigkeiten. "Wenn die Nachfrage nicht steigt und die staatlichen Massnahmen auslaufen, dann gehen auch gesunde Unternehmen kaputt".  Grosse Firmen sind laut LLB gleich betroffen wie die Kleinen. Die Rettungsaktion ist also keine einfache Aufgabe – und sie ist inhaltlich eine Wette darauf, dass die alten Produktionsstrukturen an die postpandemische Welt angepasst werden können. Es ist aus heutiger Sicht schwer vorstellbar, dass die weltweiten Lieferketten einfach wieder reaktiviert werden, als sei nichts gewesen. "Es wird vieles nicht mehr so sein wie vorher", ist auch Pfammatter überzeugt. Die Digitalisierung hat nochmals einen extremen Schub bekommen. Er denkt aber nicht, dass Firmen vermehrt Liquiditätspolster schaffen für eine nächste Krise oder eine nächste Pandemie. Wie Leute arbeiten, werde sich verändern: Er geht davon aus, dass seine Firmenkunden Home-Office beibehalten werden – wenn auch nicht so ausgeprägt wie jetzt.

Die Chancen der Krise, die positiven Vorzeichen und ein Finanzplatz, der in den vergangenen Monaten wenig spürt von den Verwerfungen der Krise, wollen nicht recht zu den Schlagzeilen über Corona-geschädigte KMU passen, über Tausende gefährdeter Arbeitsplätze und ein gefährliches Kreditausfallrisiko. Die Coronakredite sind kein Allheilmittel: Nach einer Studie der Beratungsgesellschaft Oliver Wyman (OW) rechnen die Experten "mit einem erheblichen Anstieg" der Kreditausfallrisiken und damit auch Firmeninsolvenzen insbesondere im KMU-Sektor in der Schweiz. Weil das gleiche für Liechtenstein gelten dürfte, bleibt trotz aller positiven Signale die Angst vor dem, was das Jahr 2021 noch bereithält. 

Portrait Manfred Pfammatter

Manfred Pfammatter
Liechtensteinische Landesbank AG


Manfred Pfammatter ist seit 2013 Leiter Firmenkunden und Hypotheken bei der Liechtensteinischen Landesbank. Seine Laufbahn verlief in den letzten zwei Jahrzehnten durchweg im Bankbereich. Vor seiner aktuellen Funktion bei der LLB war er ab 2009 bei der Migros Bank für das Privatkunden-Markgebiet Bern zuständig. Zuvor hatte er während fünf Jahren die Verantwortung für die Cyberbank der Berner Kantonalbank. Vorangegangen waren erste Erfahrungen als Kundenberater bei der UBS und der Postfinance.

Manfred Pfammatter verfügt über einen Lizentiatsabschluss der Universität Bern in Volks- und Betriebswirtschaft. Der gebürtige Walliser lebt mit seiner Familie in Rorschacherberg.